60 bis 100 TWh grüner Wasserstoff aus Nachbarländern - möglich, sagt eine neue Studie von Agora Energiewende. Voraussetzung - wer hätte es geahnt - ist der schnelle Bau oder Umbau von Pipelines.
Das im Agora-Bericht für 2030 berechnete Importpotenzial von grünem Wasserstoff liegt bei 17 TWh, hinzu kämen 15 TWh blauer Wasserstoff und 11 TWh aus heimischer Produktion. Ab 2035 könnten bei entsprechendem Zubau der Pipelines rund 60 bis 100 TWh grüner Wasserstoff importiert werden. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vom Juli 2023 rechnet für 2030 mit einem Bedarf von 40 bis 75 TWh an Wasserstoff und seinen Derivaten. In den Folgejahren soll dieser deutlich steigen.
Übrigens….
Bereits im März berichtete HyCologne über das transnationale Projekt „European Hydrogen Backbone“, das Pipeline-Knotenpunkte in alle Richtungen vorsieht. Fazit: Der Wille für eine europäische Zusammenarbeit ist vorhanden und: Regionen sind wichtig, um Lösungen in kleinem Maßstab zu testen und öffentliches Bewusstsein und Akzeptanz zu schaffen.
Was wird betrachtet? Was ist zu tun?
Die Berechnungen der Agora-Studie basieren auf fünf möglichen Pipelinekorridoren, welche künftige Wasserstoffproduzenten mit Deutschland verbinden. In die Analyse eingeflossen sind unter anderem das Erzeugungspotenzial der jeweiligen Länder, die politische Flankierung durch die beteiligten Länder, die technische Komplexität des Infrastrukturausbaus und bisherige Fortschritte in den Korridoren. Auch die Wasserstoffbedarfe der Transitländer wurden berücksichtigt und von den in Deutschland zu erwartenden Mengen abgezogen.
„Für die Klimaneutralität braucht Deutschland eine sichere und kostengünstige Versorgung mit erneuerbarem Wasserstoff. Dafür spielen Pipelineimporte aus Europa eine entscheidende Rolle“, sagt Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland. „Um diese Importe abzusichern, müssen jetzt die Weichen für den Bau der Produktions- und Pipelineinfrastruktur gestellt werden. Zugleich ist eine gesicherte Nachfrage nach Wasserstoff nötig. Hier ist die Bundesregierung gefragt, über geeignete Quoten und Förderprogramme Investitionssicherheit zu schaffen.“ Zentral hierfür seien die Umsetzung der europäischen Vorgaben für die Nutzung von grünem Wasserstoff in der Industrie in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED III, die finanzielle Absicherung beziehungsweise Ausweitung von Klimaschutzverträgen in der Industrie und die Schaffung grüner Leitmärkte.
Derivate als zweites Standbein
Schiffsimporte von Eisenschwamm und Ammoniak aus Übersee können die genannten Wasserstofflieferungen per Pipeline kostengünstig ergänzen. Denn bestimmte energieintensive Produkte, die mit Wasserstoff hergestellt werden, sind leichter zu transportieren als der Wasserstoff selbst. Aus Eisenschwamm wird Stahl produziert, während Ammoniak in der Düngemittelproduktion eingesetzt wird. Der Import dieser Produkte aus Ländern mit viel Erneuerbaren Energien und damit günstigem grünen Wasserstoff kann so dabei helfen, die Kosten der Industrietransformation in Deutschland zu senken und die Resilienz der Wertschöpfungsketten zu erhöhen. Da der Großteil der Wertschöpfung in der Weiterverarbeitung dieser Importprodukte stattfindet, kann hierdurch etwa die Stahlbranche in Deutschland zukunftsfähig aufgestellt werden.Zusätzlich, so die Studie, könnten Importe von Eisenschwamm und Ammoniak reine Wasserstoffimporte kostengünstig ergänzen.
Eisenschwamm ließe sich per Direktreduktion mit Wasserstoff dekarbonisieren. Der Umstieg auf Wasserstoff in den bisher geplanten Direktreduktionsanlagen der Stahlproduktion würde etwa 26 TWh erneuerbaren Wasserstoff benötigen, um 16 Millionen Tonnen grünen Stahl herzustellen. Das ist bereits mehr als die Hälfte der Menge, die bisher mit kohlebasierten Hochöfen produziert wird.