H2-Close up in der „Zoogarage“

Dort, wo in den 1950er Jahren Zapfsäulen für Benziner standen, parkte der mit Wasserstoff betankteToyota Mirai von HyCologne. Zeiten ändern sich – Energiequellen auch. Ein schönes Symbol für eine gelungene Veranstaltung in der Kölner „Zoogarage“, wo KölnBusiness – gemeinsam mit der TH Köln und HyCologne e.V. – einen halbtägigen Blick auf die Einsatzmöglichkeiten für H2 in Industrie und Gewerbe warf.

Die Zoogarage in Köln-Riehl barg einst erst eine Tankstelle, dann ein Sachverständigen-Büro. „Sachverständige“ zum Thema Wasserstoff hielten auch beim Close Up unter dem  auffälligen, von einer zentralen Säule getragenen Dach aus Spannbeton das Niveau hoch. Ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm mit Rednern aus und zu verschiedenen Bereichen hielt bei den zahlreichen Zuschauern Aufmerksamkeit und Interesse konstant hoch.

Die Zoogarage. Damals vor 70 Jahren: Eine Tankstelle für Benziner. Heute: Wasserstoffauto Mirai von HyCologne (mit dem Vorsitzenden Albrecht Möllmann und Stefan Rappen von HyCologne-Mitglied CBT Rechtsanwälte).

Chancen und Herausforderungen

Um den Tag kurz zusammenzufassen: Das Thema Wasserstoff ist komplex, hat viele Chancen und ebenso viele Herausforderungen. Wasserstoff-Kernnetz, H2-Beschleunigungsgesetz, diverse Förderungen und noch mehr Anwendungsmöglichkeiten, Ideen, Konzepte und auch Umsetzungsbeispiele, dennoch: der „große Wurf“ will noch nicht recht Form annehmen und wird, so HyCologne Projektmanager Dr. Frank Benzel, „auch nicht über Nacht gemacht“ werden.

Das ist, wie sich in der Zoogarage alle einig sind, gelinde gesagt bedauerlich. „Studien sind sich einig, dass Wasserstoff in der Industrie eingesetzt werden muss, um die Klimaziele zu erreichen“, sagt Dr. Ing. Ann-Kathrin Klaas vom Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) der Universität zu Köln. Und sie kennt viele Studien; das EWI gilt als „Wissensfabrik“. „Der Einsatz von Wasserstoff bei hohen Prozesstemperaturen und bei stofflicher Nutzung ist alternativlos“, sagt sie. Sie kennt aber auch die Herausforderungen, die sie in die folgenden drei Probleme clustert:

Beim HyCologne-Leuchtturmprojekt HyPipCo gilt es, allen Herausforderungen zu begegnen, vordergründig auch dem Henne-Ei-Problem. Frank Benzel berichtete über den aktuellen Stand des Projekts, das den Bau einer H2-Pipeline rund um Köln zum Inhalt hat. Um die praktische Umsetzung möglichst zügig starten zu können, hat das Projekt nach zwei erfolgreichen Machbarkeitsstudien nun mit Hürth einen „Start-Hub“ definiert, der eine große Bandbreite an Anwendungsfällen hat. Fördergeber sind im Gespräch und Stakeholder aus verschiedenen Bereichen kommen zusammen.

HyPipCo in den Startlöchern

Dennoch: „Es ist schwer, die Bedarfe zu ermitteln“, sagt Frank Benzel. Ohne Bedarfe zögern auch die Erzeuger und Betreiber der Infrastruktur, was die Anwender weiter zögern lässt, ob sie ihren Bedarf mit Wasserstoff decken können und wollen. Das Henne-Ei-Problem. Ein Plan B für ein zweites Projekt, einfacher in den Bedarfen und Zusammenhängen, ist daher eine weitere Option. Stefan Rappen, von HyCologne-Mitglied CBH Rechtsanwälte hat bereits große Infrastrukturprojekte gesteuert. Er zeigte den Zuhörern auf, was der rechtliche Rahmen für ein flächendeckendes Wasserstoffnetz vorsieht, und dass eine Beteiligung nicht nur möglich, sondern wichtig ist. „Wenn Sie Projekte planen, engagieren Sie sich!“, lautete die Botschaft.

Unterstützung durch die Wissenschaft

Prof. Dr. Peter Stenzel führte einen Elektrolyserechner vor, den seine Studenten an der TH Köln entwickelt haben. Das niederschwellige Tool stellt übersichtlich technische und ökonomische Daten bereit und liefert so eine Ersteinschätzung zu Elektrolyseprojekten. Das Tool ist in der Basisversion frei verwendbar.
Um von der Ersteinschätzung zu einer detaillierten Projektplanung und -bewertung zu kommen, taten sich wiederum Studenten zusammen, um ein Konzept zu entwickeln. Inzwischen haben drei von ihnen das Start-up Energy System Solution gegründet: zur Digitalisierung, Optimierung und Beschleunigung bei der Planung von Wasserstoffprojekten.

Beispiele und Produkte aus der Praxis

H2 als Nebenprodukt

Sozusagen zum Anfassen waren die letzten drei Vorträge des Tages – und ausgesprochen unterschiedlich. Zu Beginn sprach Felix Wunder von INEOS Inovyn. Ein weltweit agierender Chemiekonzern mit 25.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 65 Milliarden Dollar. In Deutschland ist INEOS Marktführer bei der PVC-Herstellung. Und was hat das mit Wasserstoff zu tun? Das Unternehmen ist der größte Betreiber von Elektrolyseuren in Europa. Bei der Chlor-Alkali-Analyse geht neben Wasser auch Kochsalz in die Elektrolyse: Es entstehen Chlor und Natriumhydroxid, welche die Industrie braucht, und…genau… Wasserstoff! Hier als sogenannter „Nebenproduktwasserstoff“ bezeichnet. Das CO2 für den Fußabdruck wird auf alle drei Stoffe verteilt, wodurch der Wasserstoff einen verhältnismäßig kleinen erhält. Und wie viel H2 wird bei den INEOS-Elektrolyseuren so „nebenbei“ produziert: 60.000 Tonnen, Jahr für Jahr.

Bundesweit einzigartig

Gegenüber 60.000 Tonnen machen sich die 440 Kilogramm von Peter Küpper zwar klein aus, aber darum geht es nicht. Worum es geht ist: einfach mal machen. Und Peter Küpper, der die Josef Küpper Söhne GmbH, ein mittelständisches Unternehmen für Gebäudetechnik, in dritter Generation leitet, hat einfach mal gemacht. Er realisierte mit Förder- und Eigenmitteln die bundesweit erste Gewerbeimmobilie, die sich mit Hilfe von selbst produziertem, grünem Wasserstoff völlig autark mit Wärme, Kälte und Strom versorgt. Im Sommer wird der Stromüberschuss aus Solar und PV in Batterien für die Nacht und nach Elektrolyse als H2 für den Winter gespeichert:

Weltneuheit: Heizen mit 100% H2

Friedhelm Schlößer, CEO der SCHWANK GmbH, stellt die patentierte Neuentwicklung seines Unternehmens vor: „geniumSchwank“ ist die weltweit erste Industrieheizung, die zu 100 Prozent per Wasserstoff läuft. „Der Wettbewerb spricht von ‚H2 Ready‘“, sagt Schlößer. „Das bedeutet aber oft, dass nur ein 20-Prozent-Anteil H2 möglich ist.“ Das System kann erst mit Fossilen (Erd-, oder Flüssiggas) betrieben werden und später mit wenigen Handgriffen auf H2 umgerüstet werden.

Viel (Wasser)-Stoff an einem verregneten Donnerstagnachmittag in Köln. Und doch waren die vier Stunden Programm – inklusive abschließendem Panel mit Fragen an die Vortragenden – für die meisten noch kein Grund zu gehen. Im Get together unter dem Dach der Zoogarage ging der muntere Austausch noch beinahe zwei Stunden weiter.

Kleiner Exkurs zum Schluss

Bevor der heutige Veranstaltungsort zur Tankstelle wurde, stand an dieser Stelle ab 1879 das Café Maus, ab 1902 das Café Zilisch. Um 1900 wurden auf der ganzen Welt etwa 60.000 Autos im Jahr verkauft. Kaiser Wilhelm II soll damals gesagt haben: „Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Aktuell fahren insgesamt rund 1,6 Milliarden Fahrzeuge über den Erdball. Bereits in den Jahren 1900 bis 1909 wurden bei der Kölner „Ernst Heinrich Geist Elektricitäts-Aktiengesellschaft“ Nutz- und Personenfahrzeuge mit benzinelektrischem Hybridantrieb hergestellt. Was folgern wir daraus? Erstens: Die Welt dreht sich weiter, egal, wer etwas anderes behauptet. Zweitens: In Köln und Umgebung war man schon immer gut aufgestellt!
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